Durch knorrige Wälder zu dunklen Mythen

Gleich von zwei Seiten kann man die Höhle auf dem Wanderpfad Nr. 4 erreichen. Beide Wege führen durch eine bezaubernde Kulturlandschaft, vorbei an Olivenhainen, durch knorrige Krüppelkieferwälder mit dornigen Hecken und Stechpalmen mit roten Früchten.

 

 Der längere und anspruchsvollere Anstieg startet in Potami neben der Mundo-Bar. Der deutlich kürzere und angenehmere Weg beginnt auf der Platia von Paleo Karlovasi. Auf dem Scheitelpunkt des Wanderpfades Nr. 4, der Potami mit Karlovasi verbindet, prangt ein unübersehbarer Hinweis zur Höhle des Heiligen Antonios. Von diesem Schild führt ein schmaler und steiniger Pfad schräg hinunter zum Höhleneingang.

 

Erdgeschichtlich sind in der Bergregion um den Kerkis durch Absenkungen und Verwerfungen zahlreiche Kavernen entstanden, viele werden durch den ständigen Wasserzufluss zu Tropfsteinhöhlen.

 

antoniosantonios

 

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Zu allen Zeiten waren diese Höhlenmünder auch Eingänge in die Unterwelt, zum Hades oder gleich zur Hölle. Diese dunklen Zwischenwelten waren ideale Orte für schamanistische und spirituelle Praktiken und Zeremonien. In der Antonios-Höhle wurden Artefakte aus der frühen Bronzezeit gefunden, in höheren Bodenschichten auch Scherben spätrömischer und byzantinischer Tongefäße.

In den Zeiten ständiger Piratenüberfälle im 15. Jahrhundert soll die Höhle den Bewohnern der Gegend um Paleo Karlovasi als Schutzraum gedient haben. Durch den üppigen Bewuchs der bergigen Hanglage ist der Höhleneingang vom Meer nicht einzusehen.

 

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Der Heilige Antonios hat diese Höhle weder von außen noch von innen gesehen. Es ist eine schlichte Zuschreibung. Der Heilige wurde 351 in Mittelägypten geboren und zog sich schon als junger, gottesfürchtiger Mann in die Einsamkeit zurück, in verlassene Grabstätten oder Kastelle. Er starb im Alter von 105 Jahren in Sichtweite des Golfs von Suez nach einem langen asketischen Leben.

 

Am 17. Januar gedenkt die orthodoxe Kirche des heiligen Antonius. Wenn es das Wetter zulässt, versammeln sich dann auf den Bänken im Höhleneingang auch einige Gläubige. Das heutige Innenleben der Höhle wurde mit populär-orthodoxen Versatzstücken zu einer improvisierten Kapelle hergerichtet. Betritt man die Höhle, sorgt ein Bewegungsmelder für magisch-mystisches Licht durch geschickt versteckte Strahler. Die Installation und den Betrieb der Lichtshow wurde und wird von Konstantinos Katsikas finanziert und von einigen Bewohnern von Paleo überwacht und gewartet. Ein sympathisches Beispiel von Heimat- und Brauchtumspflege auf griechisch-elektrisch.

 

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Wenn man das Glück hat, die Höhle allein zu erleben, sollte man den dezenten Geruch von Mottenkugeln ignorieren und die Augen schließen. Die einsetzende Stille ist überwältigend. Unvermittelt ist man reduziert auf das eigene Atmen, den eignen Herzschlag und das rauschende Blut in den Ohren. Für einen unendlichen Moment fühlt man sich allein auf der Welt, fühlt man sich wie ein Eremit, vielleicht wie Antonios in seiner ägyptischen Grabstätte. Ein dumpfes Klacken dröhnt durch die Höhle und es ist plötzlich stockfinster. Eine Zeitschaltuhr hat die mythische Beleuchtung ausgeschaltet. Wie gut, dass das Handy eine Taschenlampen-App hat. Die hatte der Heilige bestimmt nicht.

 

Photos by W. Schoendorf

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