Einzigartige Wandmalereien

Auf dem Fußweg von Kampos nach Vouriotes kann man eine der schönsten und bequemsten Wanderungen erleben – vor allem, weil auf halber Strecke die Quell-Taverne Pnaka zur Rast einlädt.

 

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Die Strecke bietet jedoch noch weitere, wenn auch etwas verstecktere Höhepunkte. Gleich hinter dem Weiler Paleochori („Altes Dorf“) liegt auf der rechten Seite – von Blicken etwas verborgen – die weiße Kreuzkuppelkirche Agia Matrona. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von sogenannten Chiosamii (Χιοσάμιοι) erbaut – Nachfahren von Samioten, die nach Chios ausgewandert waren. Diese Rücksiedler brachten den Kult um die ‚Osia Matrona‘ aus Chios mit. Wie bei vielen Heiligen ranken sich auch um sie zahlreiche wunderliche Legenden.

 

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Der Innenraum der Kreuzkuppelkirche ist über und über mit Fresken bemalt. Die teilweisen stark beschädigten Wandmalereien dürften Mitte des 15 Jahrhunderts entstanden sein und haben kunsthistorisch einen einmaligen Stellen wert. Bei der Fresko- oder Frischmalerei arbeitet der Künstler lagenweise auf den frischen oft noch feuchten Putz. Das erfordert eine hohe Perfektion, eine sichere und ruhige Hand und vor allem ein dreidimensionales Verständnis für die Abwicklung und Tektonik des Baukörpers. Jeder Pinselstrich, jeder Farbauftrag muss stimmen. Korrekturen sind nach den schnellen Trocknungsprozeßes des Untergrundes nicht mehr möglich.

 

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Die Fresken der Kreuzkuppelkirche Agia Matrona zeichnen sich nicht nur durch hohe handwerkliche Qualität aus, sondern auch durch ein außergewöhnliches künstlerisches Können und sind daher durchaus von kunsthistorischer Bedeutung. Sie gehen weit über die statischen Gestaltungsmerkmale der orthodoxen Sakralmalerei hinaus und wirken erstaunlich modern. Die Motive – etwa die Vertreibung aus dem Paradies – werden in szenisch lockeren Folgen dargestellt, als hätte ein früher Comiczeichner sie geschaffen.

 

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Es lohnt sich, in dem kleinen Kirchlein zu verweilen und die Szenen – soweit sie noch zu erkennen und zu entschlüsseln sind – auf sich wirken zu lassen. Selbst die Darstellungen der Heiligen und Apostel zeigen keine bloße Reduktion auf stereotype Formen, wie sie orthodoxe Ikonen oft so unnahbar und abweisend erscheinen lassen. Nein – die Figuren haben individuelle Gesichtszüge, und manche der Heiligen scheinen sogar zu schmunzeln – als hätten sie oben in Pnaka, der Taverne an der Quelle, ein paar Becher zu viel getrunken.

 

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Photos by W. Schoendorf